Neuproduktionen
Jede Neuproduktion - eine wundervolle Herausforderung
Um ein Stück – egal, ob Schauspiel oder Märchen, Musical oder Oper – für die Marionettenbühne adaptieren zu können, sind jede Menge Kreativität und Arbeit notwendig. Schließlich stellt ein Stück, bei dem die Marionetten die Zuschauer:innen in ihren Bann ziehen sollen, ganz besondere Anforderungen an das Erstellen einer eigenen Fassung, an Technik, Sänger:innen und Sprecher:innen, aber natürlich auch an Handwerker:innen und Puppenspieler:innen.
Arbeitsschritte für die Adaption eines Stücks für die Marionettenbühne
Nachdem ein Stoff ausgewählt wurde, setzen sich Künstlerischer Direktor, Regisseur:in sowie Bühnenbildner:in mit den Besonderheiten auseinander, die sich für die Umsetzung des Stücks mit Marionetten ergeben. In den folgenden Monaten wird in enger Abstimmung zwischen allen Beteiligten ein Bühnenkonzept erstellt, eine für die Marionetten geeigneten Fassung des Stücks erarbeitet, und es werden die Charaktere jeder einzelnen Figur festgelegt. Außerdem wird eine geeignete Musikaufnahme ausgesucht oder die Möglichkeit von Live-Musik überlegt. Der bzw. die Bühnenbildner:in entwirft die Kulissen und die Kostüme. Auf Grundlage weiterer Zeichnungen schnitzt ein:e Bildhauer:in die Köpfe und stellt die Körper her. Haben Sie gewusst, dass die Marionetten aus Lindenholz gefertigt werden? Denn dieses Holz ist leicht und weich, es „erleichtert“ im wahrsten Sinne des Worte die Arbeit von Bildhauer:in und Puppenspieler:innen. Nach und nach werden die Puppen in den Werkstätten des Theaters bemalt und in der hauseigenen Schneiderei kostümiert. Im letzten Arbeitsschritt werden die Marionetten an Fäden gehängt und auf ihre Beweglichkeit hin überprüft. Das Bühnenbild und die Requisiten werden ebenfalls in den Werkstätten des Theaters gebaut und auf der Bühne erprobt.
Zwei Jahre Vorbereitungszeit – und alle Hände voll zu tun
Das Salzburger Marionettentheater ist berühmt für seine handwerkliche Perfektion sowie für seine liebevolle Detailtreue, die die Mitarbeiter:innen für die Herstellung der Kostüme und der Bühnenbilder aufwenden. So kommt es, dass es von den ersten Vorbereitungen bis zum Beginn der Proben meist eineinhalb bis zwei Jahre dauert. Die Proben selbst nehmen noch einmal einen Zeitraum von ungefähr fünf bis sechs Wochen in Anspruch. Bei den Proben kommuniziert der Regisseur vom Bühnenrand aus direkt mit den Puppenspieler:innen, um die Darstellung der Charaktere und deren Bewegungsabläufe festzulegen. Auch die Abläufe und Bewegungen der Puppenspieler:innen hinter der Bühne sowie alle technischen Handgriffe müssen minutiös einstudiert werden, da die Spieler:innen auf engstem Raum agieren und selbst auch Requisiten und Bühnenbilder bewegen. Die Tondatei, die der Tonmeister anhand der Bühnenfassung erstellt hat, wird noch einmal den Erfordernissen des Saales angepasst, bzw. wird mit den Musikern geprobt. Darüber hinaus wird in den letzten Tagen vor der Premiere auch die Beleuchtung festgelegt. Sie ist, neben den eigenen Gesetzen der Perspektive und wichtigen Größenrelationen der Requisiten zu den Puppen, das wichtigste Element auf der Marionettenbühne, um für die Zuschauer:innen die perfekte Illusion zu erzeugen.
2024: Romeo und Julia
Große Tragödie auf der Marionettenbühne: Als Auftakt des ersten PUPPETS!-Festival 2024 und anlässlich des 111-jährigen Jubiläums entstand William Shakespeares Romeo und Julia in einer Inszenierung von Thomas Reichert. Die berühmteste Liebesgeschichte der Welt entfaltet in der konzentrierten Textfassung und in der Verbindung aus offenem und verdecktem Marionettenspiel besondere Intensität.
2024: Mozart und Salieri
Anlässlich der Mozartwoche fand im Januar 2024 die Premiere von Rimski-Korsakows Oper Mozart und Salieri, basierend auf Alexander Puschkins gleichnamigem Versdrama, statt. Die Legende von Mozarts Vergiftung durch Salieri wird in Matthias Bundschuhs Inszenierung als düsteres Kammerspiel gezeigt und hält daneben einige Überraschungen bereit. Die Produktion entstand in Kooperation mit der Internationalen Stiftung Mozarteum und der Universität Mozarteum. Unter der Leitung von Kai Röhrig sangen und spielten Studierende der Universität Mozarteum.
2023: Karneval der Tiere
Im Juni 2023 kam im Salzburger Marionettentheater eine Neuproduktion auf die Bühne, bei der drei musikalische Tiergeschichten von drei unterschiedlichen künstlerischen Teams erzählt werden: Die vom kleinen Elefanten Babar, der in eine Stadt flieht und Gefallen am Leben der Menschen findet; die vom jungen Stier Ferdinand, der andere Vorlieben hat als seine kampflustigen Altersgenossen; und Saint-Saëns' berühmten Karneval der Tiere in einer poetischen Neuinterpretation.
Sonderveranstaltung 2022: ARCO Master of Puppets
„ARCO – Art, Research and Creation Opus“ ist ein binationales universitäres Projekt, das sich der zeitgenössischen Musikkreation widmet. Ein Sonderkonzert fand am 11. Juli 2022 in enger Kooperation zwischen Universität Mozarteum, GMEM Marseille und Salzburger Marionettentheater stattfand. Die Salzburger Marionetten ergänzten die Kompositionen um freie szenische Improvisationen.
2019: Fidelio
Die Neuproduktion von Ludwig van Beethovens Oper „Fidelio“ entstand im Auftrag des Beethovenfest Bonn anlässlich des Jubiläumsjahres 2020. Bereits im Jahr 2017 hat die ehemalige Intendantin des Beethovenfests, Nike Wagner, die Einladung an das Salzburger Marionettentheater ausgesprochen, „Fidelio“ mit Marionetten zu produzieren, und zu Beethovens 250. Geburtstag im Rahmen des Festivals aufzuführen.
Die Wahl des Regisseurs für die Inszenierung auf der Bühne des Salzburger Marionettentheaters fiel erneut auf Thomas Reichert, der mit dem Haus seit 2006 eng verbunden ist:
Nachdem der Regisseur ausgewählt wurde, wurden im Lauf der folgenden zwei Jahre – 2018 und 2019 – eine neue Textfassung der Dialoge erstellt, adäquate musikalische Kürzungen der Tonaufnahme vorgenommen, eine neue Tonaufnahme der Dialogstellen von Schauspieler:innen eingesprochen, sowie der dramaturgische Ablauf der Szenen dem Original entsprechend angepasst.
Zeitgleich entstanden in den Werkstätten des Marionettentheaters nach Entwürfen der Kostümbildnerin Kerstin Grießhaber große Proportionszeichnungen der zu bauenden Figuren. Es wurden die ersten Köpfe aus Lindenholz geschnitzt und die nötigen Schritte zur Umsetzung des Bühnenbilds unternommen.
Nachdem die Körper der Marionetten in den Puppenwerkstätten fertiggestellt worden waren, wurden die noch unbekleideten Figuren in der hauseigenen Schneiderei kostümiert. Auch das passende Schuhwerk wurde von der Requisite hergestellt. Als letzter Schritt wurden die Figuren an Fäden gehängt, bevor sie ihren ersten Auftritt bei einer Probe absolvieren konnten.
Das Salzburger Marionettentheater spielt diese Neuproduktion auf seiner unverkleideten Reisebühne. Der weite, moderne Bühnenraum, der durch überdimensionalen Ausmaße der Spielfläche entsteht, bildet den perfekten Rahmen für diese besondere Inszenierung. Das Besondere daran: Die normalerweise im Verborgenen agierenden Marionettenspieler:innen werden zum Teil sichtbar. Ein eindrückliches, gefühlvolles und unglaublich starkes Theatererlebnis!
Nach der Premiere im Rahmen des Beethovenfestes in Bonn konnte die Produktion bereits in Brüssel sowie in Darmstadt einem breiten Publikum vorgestellt werden. Da die Österreich-Premiere im Jahr 2021 pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, musste die Erstaufführung dieser klaren, puristischen Fidelio-Inszenierung von Thomas Reichert auf das Frühjahr 2022 verschoben werden.